ines vorweg: Natürlich ist nicht jeder Deutsche unglücklich. Viele Millionen sind glücklich, aber dies trifft nicht auf alle zu - in keiner Nation, das ist klar. Laut internationalen Studien gelten wir jedoch als besonders unglücklich und weniger zufrieden, obgleich Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt gehört. Ärmere Staaten wie Mexiko und Costa Rica überholen uns in puncto Glücksfaktor. Wie kann das sein? Gerade in Mexiko herrschen doch seit Jahrzehnten erbitterte Drogenkriege. Einige Regionen leiden unter gravierender Verarmung. Mit der Sicherheit ist es ebenfalls nicht so gut bestellt. Kaum ein Land veröffentlicht höhere Zahlen in puncto Entführung, Frauenmord und Gewalt in der Familie.
Wie können statistisch gesehen mehr Menschen in solch einem Land glücklicher sein als im Wohlstandsstaat Deutschland mit jeder Menge staatlicher Absicherung? Was machen sie anders? Ändern wir für einen Moment die Sichtweise aufs Glücklichsein, um Fragen wie diesen auf den Grund zu gehen.
Wichtige Zutaten zum Glücklichsein: Wir-Gefühl und zurückgeschraubte Erwartungen
Deutschland ist ein Land, welches allgemein durch ein hohes Maß an Effizienz geprägt ist. Fleißige und helle Köpfe sorgen für Innovationen, die die Welt bereichern. Das Ansehen der Deutschen im Ausland bezieht sich oft genau darauf: intelligent und arbeitsam. Auf der anderen Seite sind wir jedoch auch als ein wenig spröde, zu steif und unglücklich bekannt. Laut Studien scheint es mit dem Glücklichsein in Deutschland tatsächlich nicht gut bestellt. Nur am Wetter kann dies nicht liegen, denn auch die Menschen in Norwegen scheinen glücklicher zu sein.
Schauen wir uns das bereits erwähnte Beispiel Mexiko an. Es ist ein riesiges Land mit zahlreichen Klimazonen und unterschiedlichen Kulturen. Indigene Völker treffen auf Nachkommen der spanischen Eroberer und haben so einen vielfältigen Ethnienmix entstehen lassen. Die bewegte Geschichte, die Armut und die täglichen Widrigkeiten haben ein immenses Wir-Gefühl entstehen lassen. Es dient den Menschen als Sicherheitsnetz und gibt ihnen Halt. Zu wissen, mehrere Menschen »im Rücken zu haben« sorgt für Zufriedenheit und Sicherheit. »Gemeinsam sind wir stark«. »Irgendwie schaffen wir das alles.« Das sind zwei Grundeinstellungen, die in vielen Mexikanern ruhen. Sie sorgen für ein tieferes Wohlbefinden, als eine Versicherungspolice es jemals könnte. Die Versicherungspolice mag letztlich zahlungskräftiger sein, aber dafür fehlt ihr das Zwischenmenschliche.
Ein weiterer Punkt, der zum Rezept des Glücklichseins gehört, ist eine zurückgeschraubte Erwartungshaltung. Die gängige Meinung in Mexiko ist: »Sei glücklich, wenn deine Grundbedürfnisse befriedigt sind.« Das mag für manchen Deutschen zu wenig sein. Stattdessen wird nach großen Autos und schönen Häusern gestrebt. Das ist auch nicht falsch, aber kann den Blick auf das Wesentliche vernebeln. Genügsamkeit - nicht zu verwechseln mit Faulheit - ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Zufriedenheit im Leben. Wer immer zum Nachbarn schaut und dort das Gras als grüner empfindet, der fühlt sich rascher unglücklich.
Von anderen lernen
Einige Tugenden und Werte Deutschlands sind lobenswert und wichtig. Sie tragen sogar zum Glücklichsein bei. Dennoch kann es nicht schaden, von anderen zu lernen, wenn dies zum persönlichen Glück beiträgt. Bei den Deutschen aus der vergleichenden Glücksstudie wäre dies, ein wenig Lockerheit ins Leben einzubauen. Wer unterscheiden kann, wann er etwas unbeugsam verfolgen sollte und wann nicht, hilft sich damit selber.
Darüber hinaus ist es ratsam, für mehr Freiheit einzustehen. Sofern du niemanden verletzt, solltest du dein Leben so führen, wie es dir gefällt. Zwanghafte Vorstellungen, die uns die Gesellschaft vermeintlich auferlegt, behindern dich nur dabei. Der nächste Punkt betrifft die Wertschätzung. Wisse zu schätzen, was bereits in deinem Leben ist - von einem liebevollen Partner, über ein schönes Haus bis hin zur Gesundheit. Dann fehlt auch nicht mehr ein Stück vom Glück, wie es bei der italienischen Comicfigur Herr Rossi (Film und Serie: Herr Rossi sucht das Glück) der Fall ist.
Das darf auch nicht fehlen: Unabhängigkeit von anderen
Das Wir-Gefühl kann zum persönlichen Glück entscheidend beitragen, aber es ist nicht alles. Unerlässlich ist ferner die innere Ruhe. Nur so kannst du dich tief in deinem Herzen vollständig fühlen. Doch wie kann das gelingen?
Es ist zweifelsohne ein schwieriges Unterfangen, da Wohlbefinden eine Kompetenz darstellt. Du musst daran arbeiten, denn es wird dir nicht gänzlich geschenkt. Sprichst du mit Menschen, die in sich ruhen, wirst du hören, dass sie dafür stetig etwas tun. Sie arbeiten an ihrer Widerstandskraft und Resilienz. Problemreiche Zeiten machen sie genauso durch, aber sie lassen sich davon nicht gänzlich unterkriegen. Das stärkt den Charakter und verhilft zu einem entscheidenden Gefühl: »Ich kann mich auf mich selbst verlassen.« Das ist wahre Freiheit und Unabhängigkeit.
Erobere dein inneres Wohlbefinden zum Glücklichsein zurück
Was macht dich eigentlich aus? Weißt du das noch? Oder lenkst du dich vielmehr mit Dingen ab, die unnötig sind? Das innere Vakuum mit Konsumgütern, falschen Freunden und oberflächlichen Liebeleien zu stopfen, hilft nur kurzfristig weiter. Die Leere wird dadurch zumeist nur größer. Stattdessen solltest du dir zurückerobern, was du vermutlich als Kind empfunden hast: ein zufriedenes Ausgefülltsein.
Denk darüber nach, wer du bist und was du an dir magst. Verurteile dich nicht für Schwächen, sondern arbeite an ihnen. Stößt du auf unüberwindbare Grenzen, musst du dich damit abfinden und dich so lieben lernen, wie du bist. Wenn du dich im Innersten stimmig fühlst und im Allgemeinen deine Entscheidungen für gut bewertest, wirst du automatisch glücklicher.
Sobald du mit dem Leben und allem, was es dir gibt und nicht gibt, einverstanden bist, stellt sich ein hoher Grad an Zufriedenheit ein. Das lässt sich auch als grundlos glücklich erachten, obgleich dahinter natürlich ein Grund steckt: Wir fühlen uns in unserer Haut wohl. Das heißt aber nicht, dass du nur selbstvergessen durch den Tag träumen sollst und Probleme wegschiebst. Nein, es bedeutet vielmehr, dass du dich als zufriedener Mensch Herausforderungen stellen kannst.
Ein Hindernis zum Glücklichsein: German Angst
Hast du bereits den Begriff German Angst gehört? Er wird im Deutschen und in anderen Sprachen genutzt, um auf eine weitere Eigenschaft hinzuweisen, für welche die Deutschen berühmt sind: Zögerlichkeit. Hiermit sind keine Bedenken gemeint, die jeder hin und wieder hat. Vielmehr bezieht sich die Begrifflichkeit auf die negative Sicht auf die Zukunft. In der Tat ist die German Angst in der Bevölkerung noch immer stark vertreten. Entscheidungen werden herausgezögert und erfolgen erst nach umfangreichen Analysen. Das hat sogar oft seine Berechtigung, kann uns aber auch zu »Sorgenbedenkenträgern« machen.
Diese obsessive Neigung zur ängstlichen Besorgtheit spiegelte sich beispielsweise in den massiven Klopapieraufkäufen in Deutschland zu Beginn der Coronakrise wider. Die ausländische Presse begegnete dem mit Unverständnis. Und so schrieb beispielsweise die mexikanische Presse: »Die Deutschen sorgen sich um einen Klopapiermangel? Hierzulande fürchten die Menschen, nicht mehr ausreichend Essen zu haben, um überhaupt noch Klopapier zu brauchen.« Sicherlich ist dies eine überspitzte Darstellung, aber sie verdeutlicht den bereits erwähnten Grundgedanken: Sind die Grundbedürfnisse erfüllt, ist das bereits ein Grund glücklich zu sein.
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